Im zum Bersten vollen Lehár-Theater in Bad Ischl kam es am Dienstag bei Siede-Temperaturen zu einer sensationellen Darbietung. Susanne Marik und ihr Gatte Béla Fischer sind seit Jahren ein Geheimtipp für das literarisch anspruchsvolle Chanson vergangener Zeiten. Diesmal hatte, wie Lehár-Festival-Intendant Thomas Enzinger mit berechtigtem Stolz feststellte, nicht nur das eingespielte Duo die Möglichkeit, Unterhaltungsmusik zu präsentieren, sondern mit vier ausgewählten Kollegen, genannt „Palast- Ensemble“, einen neuen Sound zu servieren. An der Seite des Vaters saß, ganz im Banne des musikalischen Leiters, Sohn Béla Fischer jun. Dazu kam der phänomenale Percussionist Lenny Dickson. Vom Franz-Lehár-Orchester stießen die Holzbläser Christian Ausserhuber und Thomas Ritter zur Truppe. Der Abend unter dem Motto „Hoppla, jetzt komm ich“ wurde zu einer höchst professionellen Aufarbeitung der Geschichte der 20er- und 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Natürlich hatte sich Béla Fischer um die musikalischen Erfordernisse des musikalischen Teiles gekümmert. Die von Susanne Marik gelesenen Texte stammen vom Literaten, Shakespeare- und Marlow-Forscher Gerald Szyszkowitz, der eben seinen 80. Geburtstag feierte. Vor allem geht es in der historischen Aufarbeitung um die Stellung der Frau in der Zwischenkriegszeit, um die immer schwieriger werdenden Lebensumstände, um das Aufkeimen des Nationalsozialismus, um das Eindringen des Jazz aus der Neuen Welt, um die Erfindung des Tonfilms, vor allem um die ungebremste Erlebnis- und Vergnügungssucht, die sich in den Schlagern der Zeit von sehr begabten Komponisten und originellen Librettisten widerspiegelt.
Es fehlt keiner der großen Schlagerkomponisten
Susanne Marik, Musical-Darstellerin internationalen Formats, schlüpfte in Rollenvorgängerinnen wie Marlene Dietrich und Marika Rökk, ohne je eine Kopie anzustreben. Sie ist selbst dann Persönlichkeit genug, wenn sie, von Béla Fischer mit der Violine begleitet, an Willi Forst und seinen „Bel Ami“ erinnert. Es fehlt keiner der großen Schlager-Komponisten der Zwischenkriegszeit, wobei man ins Herz getroffen wird, wenn das Schicksal der Comedian Harmonists den inhaltlichen Aspekt des Abends beschließt.
Der offizielle Teil des Abends endete mit einem Schlager Paul Abrahams: „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“, womit das Ensemble auch auf Abrahams „Blume von Hawaii“ hinwies, die man noch besuchen kann.
Im Rahmen der Zugaben vor der Pause und nach den langen Ovationen am Ende der außerordentlichen Veranstaltung durfte auch das Publikum aktiv mitwirken. Ob es sinnvoll ist, einen derart inhaltsreichen musikalischen Abend der Spitzenklasse mit den Worten „Holloderi, Holloderi, Hollodero“ enden zu lassen, bleibe dahingestellt.
Eine gute Nachricht gab es zuletzt: Das einmalige Ensemble wird nächstes Jahr zu einem Lehár-Festival-Abend für Ralph Benatzky eingeladen: Erfolg fordert neue Kreativität heraus.